Mit Lorenz Humbel, dem Kirsch-Guru aus dem Kanton Aargau, sprachen wir über die sensorische Bedeutung verschiedener Hefen für Obstbrände. Einige Male fiel das Wort Spontanvergärung, das in den letzten Jahren häufiger im Vokabular vinophiler Hipster, selten jedoch in Verbindung mit Spirituosen auftauchte.
Was neu und aufregend klingt, war vor nicht allzu langer Zeit Standard. Heute wird bei der alkoholischen Gärung in der Regel Reinzuchthefen eingesetzt. Die Gärung läuft stabiler, kontrollierter und effizienter ab. Unerwartete Ergebnisse, wie bei mancher Spontanvergärung, werden weitgehend vermieden, allerdings verliert man Differenzierung und Identität. Einheitlicher Geschmack ist die Folge.
Lorenz Humbel schenkte Proben seines reinsortigen Kirsch ein, dessen Maische jeweils mit anderer Hefe vergoren wurde. Die je nach Hefekultur unterschiedliche geschmackliche Komplexität überraschte. Der Brand aus der spontanvergorenen Maische vom Basler Langstieler versetzte uns in Euphorie. Nach ausführlicher Verkostung war klar: diesen Brand wollen wir im Freimeisterkollektiv vorstellen.
Beerennoten | Marzipan | Ananas
Schokolade | Zimt | Marzipannoten | Butterscotch
Kräftige Kirscharomen | Bittermandel

Süßkirsche (Basler Langstieler) | natürliche Hefe | Wasser
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Lorenz Humbel
Brenner | Stetten, Aargau, Schweiz
Lorenz’ Großvater Max Humbel gründete die Brennerei in Stetten im Kanton Aargau 1918 als Ergänzung zu seiner Landwirtschaft, als er sich – wie viele Schweizer Bauern jener Zeit – in einer Notlage befand. Als Lorenz Humbel die Gewerbebrennerei (was ungefähr einer deutschen Verschlussbrennerei entspricht) von seinem Vater übernahm, wurde gerade der Schweizer Spirituosenmarkt liberalisiert. Bis zu diesem Zeitpunkt kamen 80 Prozent der in der Schweiz konsumierten Destillate aus dem Inland. Mittlerweile hat sich das Verhältnis umgekehrt. Auf diese Veränderung musste die traditionelle Brennerei reagieren. Mit dem Fokus auf Kirschbrand traf Humbel die richtige Entscheidung. Er setzte konsequent auf Qualität und baute sein Angebot an biozertifizierten Spirituosen aus. Bei der Suche nach geeigneten Brennkirschen stieß er auf ein Buch aus dem Jahre 1937 mit dem Titel Die Kirschsorten der deutschen Schweiz. Der Autor und Botaniker Dr. Fritz Kobel klassifizierte darin über 300 verschiedene Kirschsorten. Begeistert und inspiriert von dieser Publikation begann Lorenz Humbel 1995, sortenreine Kirschbrände zu destillieren. Heute hat Humbel bereits weit über 20 verschiedene Kirschsorten eingemaischt und gebrannt, und sucht immer noch weiter nach Kirschen, die das Aromaspektrum seiner herausragenden Brände erweitern.